Ein schwieriges Thema

Ich möchte zunächst anmerken, dass es im Fahrradbereich sehr viele, sehr unterschiedliche Ansichtsweisen gibt und dass diese Website meiner eigenen, persönlichen Meinungen zu diesen Themenbereichen gewidmet ist. Wer schonmal das Vergnügen hatte, in einschlägigen Foren Debatten über Themenbereiche wie “rim vs disc” verfolgen zu können, weiß, wie viel Emotion dabei teilweise mitschwimmen kann. Ich möchte daher ausdrücklich anmerken, dass hier zwar Meinungen vertreten werden, es sich bei diesen jedoch nicht um die einzig wahren, allgültigen Meinungen handelt. Jeder Mensch hat andere Zugänge und setzt seine Schwerpunkte anders. Ich lege meinen Fokus daher darauf, Dinge anzusprechen und zur Meinungsbildung des einzelnen beizutragen, möchte jedoch niemanden diese aufzwingen und kann andere Gedanken und Ansätze akzeptieren, solange die Grundlagen einer respektvollen Kommunikation gewahrt bleiben.

Sieht nicht so aus, aber ist es: Einfach

Cinelli-Zydeco-Selbstaufbau: 2x11-Shimano-GRX-810-Gruppe trifft auf Shimano-105-Schalthebel und mechanische Tektro-TRP-Scheibenbremsen. Weil der eklatante Mehraufwand für Hydraulik die wenigen Vorteile für mich am Gravelbike nicht rechtfertigt. Und ich mehr nicht brauche.

Man kennt sie, die Räder, die am Bahnhof stehen. Im Regen, im Schnee. Verrostet, vergammelt. Doch: Sie funktionieren. Sie fahren. Klapprig und laut, vernachlässigt, aber sie bringen Menschen trotzdem von A nach B. Und genau das macht für mich ein Fahrrad aus: Technik, die ohne viel Ärger einfach funktioniert.

Es kommt mir vor, die Fahrradtechnik wird immer komplexer. Immer umfassender. Und Räder immer teurer. Geschalten wird elektrisch, gebremst hydraulisch. Motoren unterstützen. Es wird vernetzt und connected, das Fahrrad entwickelt sich immer weiter Richtung Mechatronik. Und der einfache Fahrradler wird an Werkstätten gebunden, weil ihm sein Rad zu komplex geworden ist. Eine Entwicklung, die es auch kritisch zu betrachten gilt.

Natürlich gibt es nach wie vor Angebote am Markt, für die das nicht gilt. Und der Kunde, der weiß was er möchte, wird auch immer eine Lösung finden, zum gewünschten Produkt zu kommen. Es macht aber für mich den Anschein, dass die Industrie und einige Einzelhändler sehr in Richtung Komplexität drängen. Und kommunizieren, man würde Dinge brauchen, die man eigentlich nicht braucht. Und die mit Nachteilen verbunden sind, die dem ungeschulten Auge auf den ersten Blick vielleicht nicht klar sind.

Einfache Technik, trotzem up-to-date

Pinarello Prince Stadtflitzer mit mechanisch geschaltener 1x12-Sram-AXS-Schaltung. Ein Projekt, dass viel Überlegung gekostet hat, um den Ausstieg aus mechanischen Schaltgruppen von Sram zu umgehen.

Mehr zum Rad gibts hier >

Wenn man z.B. den Trend zur Vollintegration anspricht, also Leitungen, die unsichtbar durch Lenker und Vorbau laufen und im Rahmen verschwinden. Sieht schon verdammt gut aus, gebe ich zu. Und wird auch ein paar Watt an aerodynamischen Vorteilen mit sich bringen. Aber dass dadurch einfache Arbeiten am Rad, wie z.B. die persönliche Anpassung durch Vorbautausch zur absoluten Hölle werden, ist vielen nicht bewusst. Dass dadurch sehr oft herstellerspezifische Spezialkomponenten notwendig sind, die in der Nachbeschaffung mangels Wettbewerb Geldbeträge kosten, die einem schwarz vor Augen werden lassen, wird auch vielen Kunden bei der Anschaffung nicht klar sein. Und ob diese in ein paar Jahren noch zufriedenstellend verfügbar sein werden, ist eine andere Frage.

Wobei es bei manchen Menschen den Anschein macht, dass für sie diese Fragen der Zukunftssicherheit - und auch der eigenen Nachhaltigkeit - des eigenen Fahrrades keine großen Prioritäten darstellen. Weil man ohnehin fast jedes Jahr von geleastem Jobrad zu Jobrad springt. Um zumindest im eigenen Kopf der größte Fisch auf der Sophienalpe zu sein. Ob das wirklich notwendig ist, vorallem wenn man bedenkt, dass z.B. Kohlefaser-Verbundstoffe nach ihrem Verwendungszeitraum zu de facto nicht-recyclebarem Sondermüll für die Deponie werden, muss jeder für sich selbst wissen. Stellt aber für mich auch eine Entwicklung dar, die es eher kritisch zu betrachten gilt.

40 Jahre alter Stahl

Puch-Clubman up-cycling-Projekt. Alter Stahl und neue Komponenten ergeben ein Fahrrad, das aktuellen Bikes in der Stadt um nichts nachsteht. Und vorallem: Ein Rahmen der relativ Problemlos mit noch heute aktuellen Standards verträglich ist. Und mich täglich sicher in die Arbeit bringt.

Ich denke, dass viele Neuinteressenten, die in das Hobby Radsport einsteigen wollen, nicht genau wissen, was sie brauchen und was das perfekte Fahrrad für sie wäre. Und dass ihnen die Mainstream Fahrrad-Medien - mit großen sponsoring-Veträgen der Industrie ausgestattet - dabei auch nicht wirklich weiterhelfen. Ich denke auch, dass für so manchen Händler nicht primär die Interessen des Kunden im Vordergrund stehen - sondern mehr das schnelle Geschäft - und sich die Beratung daher eher in die Richtung, was gerade vorhanden ist, bewegen wird. Wurde mir besonders vor Augen geführt, als ich einem Freund aufgezeigt habe, dass ihm die selbe Rahmengröße verkauft wurde, wie ich sie fahre, obwohl er knappe 10cm kleiner ist als ich. Und mich große Augen angesehen haben. Wobei man in Zeiten von globalen Lieferschwierigkeiten wohl schon froh sein muss, wenn man überhaupt ein Fahrrad bekommt. Auch wenn es zwei Nummern zu groß für einen ist.

Für mich ist der Einstieg in dieses Hobby daher eher als Prozess zu sehen. Der Erfahrungen erfordert, die es erst zu machen gilt. Und dass es einfach dazugehört, auszuprobieren und herauszufinden, was einem gefällt. Heißt nicht, dass ich davon abrate, einzusteigen, denn es ist ein wunderschönes Hobby. Ich würde nur dazu raten, sich für den Einstieg eher am Gebrauchtmarkt umzusehen. Und wenn man sich doch dafür entscheidet, an einen Händler zu wenden und ihm 1.500€ auf den Tisch zu legen, in der Hoffnung, dass man gut und richtig beraten wird, dann würde ich vorher sehr sehr sicher gehen, dass man gut bei ihm aufgehoben ist.

Meinen Weg zum Einstieg in das Hobby habe ich in der “Über mich” Sektion etwas genauer beschrieben.